Wie wird das Vermögen nach der Scheidung verteilt?

Wie in dem Kapitel "Das eigene Vermögen in der Ehe und die Haftung für Verbindlichkeiten" beschrieben, bleiben die Vermögen der Ehepartner, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, während des Bestehens der Ehe grundsätzlich voneinander getrennt. Kommt es zur Scheidung, so ist auf Antrag der während der Ehe erzielte "Zugewinn" auszugleichen.

Hierzu sind die Vermögen jedes einzelnen Ehepartners am Ende der Ehe (Endvermögen) und am Anfang der Ehe (Anfangsvermögen) getrennt voneinander festzustellen. Die Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen ist der während der Ehe erzielte und nun auszugleichende Zugewinn.

Der Zugewinn ist dabei keine Vermögensmasse, sondern eine Rechengröße. Auf das Schicksal einzelner Gegenstände und Rechte kommt es nicht an. Es werden nicht die Veränderung und der Hinzuerwerb von Einzelstücken ausgeglichen, sondern der Vermögenszuwachs. Nicht Gegenstände, sondern Salden werden gegenübergestellt.

Stichtag für das Endvermögen ist der Tag, an dem die Scheidungsantragsschrift zugestellt wurde.

Stichtag für das Anfangsvermögen ist der Tag der Eheschließung.

Wichtige Ausnahme: Für Ehen die vor dem 03.10.90 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geschlossen worden sind, ist Stichtag für das Anfangsvermögen der 03.10.90, denn erst von diesem Tage an begann für diese Eheleute der "bundesdeutsche" Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Für die beiden Stichtage sind alle positiven und negativen Vermögenswerte in einer Bilanz festzustellen.

Zu den einzurechnenden Positionen auf "der Habenseite" gehören

  • Bankkonten, Sparbücher, Wertpapierdepots,
  • Kapitallebensversicherungen, die nicht in den Versorgungsausgleich fallen (es sind die "Rückkaufswerte" für beide Stichtage zu ermitteln),
  • Immobilien,
  • Beteiligungen,
  • Forderungen (z.B. ein Abfindungsanpruch aus einem Arbeitsverhältnis und sogar ein Schmerzensgeldanspruch)
  • die persönlichen Gegenstände, die nicht zum "Hausrat" (siehe dort) gehören, also beispielsweise Schmuck, der PKW, der nicht "Familienkutsche" ist, sondern einem allein gehört, sowie Sammlungen und ähnliches.

Auf der "Sollseite" sind alle Darlehen, Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Beispiel für die Berechnung eines Endvermögens:

Der Ehemann hatte zum Zeitpunkt der Zustellung der Scheidungsantragschrift folgendes Vermögen:

- Sparbuch

12.000,- €

- Wertpapierdepot

5.000,- €

- BMW 520 i

20.000,- €

 Gesamt

37.000,- €

Für den Kauf des BMW hatte er einen Kredit aufgenommen, der zum Stichtag noch mit

10.000,- €

valutiert.

Sein Endvermögen beträgt daher

27.000,- €

Hatte der Ehemann keinerlei Anfangsvermögen so sind diese 27.000 € sein während der Ehe erzielter Zugewinn.

Das Endvermögen ist um die Vermögensgegenstände zu erhöhen, die der Betreffende

  • ohne "sittliche Pflicht" verschenkt
  • verschwendet (Trunk-, Spielsucht)
  • oder in den letzten 10 Jahren vor der Scheidung weggegeben hat, um den anderen Ehegatten zu benachteiligen.

Übersteigen die Schulden am Ende der Ehe die positiven Vermögenswerte, so beträgt das Endvermögen und damit auch der Zugewinn "null". Eine "negative Zahl" ist nicht in die Bilanz einzustellen. Es findet nur ein Ausgleich des Zugewinns, nicht aber eine Verteilung der Verluste statt.

In gleicher Weise ist das Anfangsvermögen zu berechnen. Auch hier sind alle positiven und negativen Vermögenswerte in eine Bilanz einzustellen. Dabei sind jedoch folgende Besonderheiten zu beachten:

  • Auch das Anfangsvermögen kann seit der Reform des Zugewinnausgleichs zum 01.09.2009 weniger als "null" betragen. Hatte die Ehefrau am Tag der Heirat ein Sparbuch über 5.000 €, zugleich aber Schulden in Höhe von 10.000 €, so beträgt ihr Anfangsvermögen - 5.000 € und ist mit diesem Betrag in die Bilanz einzustellen.

  • Alles was einer der Ehegatten während der Ehe geerbt oder von einem Dritten allein geschenkt bekommen hat, ist in sein Anfangsvermögen (!) aufzunehmen (sog. privilegierter Erwerb). Es ist nämlich anzunehmen, dass der Schenker oder Erblasser den Vermögensgegenstand nur dem einen Ehegatten allein zuwenden wollte. Die Erbschaft oder Schenkung kommt damit nur demjenigen allein zu Gute, der sie gemacht hat. Beispiel: Die Ehefrau erbt während der Ehe nach dem Tod ihrer Eltern 20.000 €. Hatte sie bei Beginn der Ehe kein sonstiges Vermögen, so besteht ihr Anfangsvermögen aus dieser Erbschaft und beträgt 20.000 €. Hat sie am Ende der Ehe ein Endvermögen von ebenfalls nur 20.000 € (oder gar weniger), so hat sie während der Ehe keinerlei Zugewinn erzielt. Der Ehemann profitiert nicht von der Erbschaft seiner Frau.

  • Neu geregelt ist auch die „Kombination“ der beiden vorgenannten Möglichkeiten: Die Ehefrau geht mit 5.000,- € Schulden in die Ehe. Während der Ehe macht sie eine Erbschaft im Wert von 20.000 €. Es ist jetzt zu rechnen ist - 5.000 Schulden + 20.000 Erbschaft = 15.000 Anfangsvermögen.
  • Da durch den Zugewinnausgleich nur ein realer Wertzuwachs ausgeglichen werden soll, ist das Anfangsvermögen um den inflationsbedingten Kaufkraftschwund zu bereinigen. Hierzu zieht man die regelmäßig veröffentlichten "Tabellen zum Lebenshaltungskostenindex" (zu finden beispielsweise unter http://www.destatis.de) heran. Das Anfangsvermögen wird dann durch den Tabellenwert des Monats der Heirat dividiert. Bei einem privilegiertem Erwerb (Erbschaft, Schenkung) ist auf den Monat des Erwerbs abzustellen. Dieses Ergebnis multipliziert man mit dem Tabellenwert für den Monat der Zustellung der Scheidungsantragschrift. Man spricht davon, dass das Anfangsvermögen indexiert wird. Dies ist naturgemä&szlig umso bedeutender, je länger die Ehe gedauert hat.

Wenn auf diese Weise Endvermögen und (indexiertes) Anfangsvermögen und der Zugewinn getrennt für jeden Ehegatten ermittelt sind, kann der Ausgleich des Zugewinns vorgenommen werden.

Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu. Die Höhe der Ausgleichsforderung wird dabei jedoch durch den Wert des Vermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten noch vorhanden ist.

Beispiel 1:

 

Ehemann

Ehefrau

Endvermögen

60.000,- €

50.000,- €

Anfangsvermögen

10.000,- €

40.000,- €

Zugewinn

50.000,- €

10.000,- €

Der Ehemann hat einen Zugewinn von 50.000 € (60.000 - 10.000) und die Ehefrau einen solchen von 10.000 € (50.000 - 40.000) erzielt.

Da die Ehefrau den geringeren Zugewinn erzielt hat, ist sie Ausgleichsberechtigte. Die Differenz der erzielten Zugewinne beträgt 40.000 €. Hiervon kann die Ehefrau 1/2, also 20.000 € als Zugewinnausgleich verlangen.

Beispiel 2:

 

Ehemann

Ehefrau

Endvermögen

80.000,- €

50.000,- €

Anfangsvermögen (Erbschaft)

80.000,- €

10.000,- €

Zugewinn

0,- €

40.000,- €

Hier hat nur die Ehefrau einen Zugewinn erzielt, sie ist daher ausgleichspflichtig. Der Zugewinnausgleichsanspruch des Ehemannes beträgt 20.000 € (1/2 von 40.000).

Dass der Ehemann eine höhere Erbschaft gemacht hat, "nutzt" nur ihm, seiner Ehefrau "schadet" es.

Beispiel 3:

 

Ehemann

Ehefrau

Endvermögen

30.000,- €

0,- €

Anfangsvermögen

50.000,- €

0,- €

Zugewinn

0,- €

0,- €

Hier hat keiner der Ehegatten einen Zugewinn erzielt, Zugewinnausgleichsansprüche bestehen nicht. Ein Ausgleich des Verlustes findet nicht statt.

Die vorstehenden Beispiele machen deutlich:

  • Wer vermögend in die Ehe geht (oder in der Ehe eine Erbschaft oder Schenkung macht), ist bei dem späteren Zugewinnausgleich durch sein höheres Anfangsvermögen im Vorteil. Es empfiehlt sich also, den Vermögensstand am Tage der Heirat genau zu dokumentieren.

  • Ist einer der Eheleute bereits bei der Heirat Alleineigentümer eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung, so profitiert der andere im Zugewinnausgleich nur dann hiervon, wenn während der Ehe eine Wertsteigerung der Immobilie (bereinigt um den Kaufkraftschwund) eingetreten ist. Im übrigen ist der Verkehrswert des Hauses oder der Wohnung im Anfangs- und Endvermögen zu berücksichtigen und ist dadurch "zugewinnneutral".

  • Erwerben die Eheleute während der Ehe gemeinsam ein Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung, werden sie also Miteigentümer, so hat dies keine Auswirkung auf den Zugewinn, wenn bei beiden ein das Anfangsvermögen übersteigendes Endvermögen vorhanden ist. Der jeweilige hälftige Miteigentumsanteil ist bei beiden Endvermögen in gleicher Höhe zu berücksichtigen, er gleicht sich damit aus. Zu der Frage, wie bei Miteigentum an einer Immobilie nach der Scheidung zu verfahren ist, vergleiche den Abschnitt "Sonstige Folgen der Scheidung".

Um den Zugewinn errechnen zu können, sind die Eheleute verpflichtet, sich wechselseitig Auskunft zu erteilen über ihr Vermögen

  • am Hochzeitstag (Anfangsvermögen)
  • am Tag der Zustellung der Scheidungsantragsschrift (Endvermögen)
  • am Tag der Trennung

Ist das Endvermögen geringer als das Vermögen am Tag der Trennung wird vermutet, dass die Vermögenminderung auf eine Manipulation zurückzuführen ist. Der oder die Betreffende muss dann beweisen, dass die Vermögensminderung nicht auf illoyale Handlungen zurückzuführen ist.