Die sogenannte "Mangelfallberechnung"

Recht häufig kommt es vor, dass das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten trotz aller Bemühungen nicht ausreicht, um unter Wahrung des Selbstbehaltes alle Unterhaltsansprüche der Berechtigten zu erfüllen. Man spricht dann von einem sogenannten "Mangelfall".

Beispiel:

M und F sind geschieden. Aus ihre Ehe ist das Kind K1 (2 Jahre) hervorgegangen. Daneben schuldet M einem aus einer früheren Beziehung hervorgegangenen nichtehelichen Kind K2 (8 Jahre) Unterhalt.
M erzielt ein (bereinigtes) Nettoeinkommen von 1.700 €. F geht wegen der Betreuung des Kindes K1 einer Erwerbstätigkeit nicht nach und ist daher unterhaltsberechtigt.
Mit 1.700 € ist M in die Einkommensgruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen.

Er müsste zahlen:

Für K1 264 € (360 – 96 hälftiges Kindergeld)
Für K2 317 € (413 – 96 hälftiges Kindergeld)
Für F 3/7 von 1.119 (1.700 – 264 – 317) = 479 €,

zusammen also 1.060 €

M würden nur noch 640 € (1.700 – 1.062) verbleiben, sein Selbstbehalt von 1.080 € gegenüber den Kindern bzw. 1.200 € gegenüber F ist nicht mehr gewahrt.

Bei diesen Mangelfällen hat die Unterhaltsrechtsreform von 2008 die wichtigsten Veränderungen gebracht.

Das Gesetz stellt erstmals eine feste Rangfolge auf, nach der die Unterhaltsansprüche zu bedienen sind. Dabei gelten folgende Rangklassen:

Minderjährige Kinder

1. Unverheiratete Kinder bis zum 21. Lebensjahr, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung (typischer Fall: Besuch eines Gymnasiums) befinden. Ob das Kind ehelich oder nichtehelich geboren ist, spielt keine Rolle

2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind (ohne dass es darauf ankäme, ob die Eltern je verheiratet waren) und Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (mehr als 10 Jahre)

3. Ehegatte, soweit sie nicht unter 2. fallen

4. Kinder, die nicht unter 1. fallen (z.B. Studenten)

5. Enkelkinder und weitere Abkömmlinge

6. Eltern

7. weitere Verwandte in aufsteigender Linie

Das Einkommen des Verpflichteten ist zunächst zur vollen Deckung des Unterhalts der Berechtigten in der niedrigsten Rangklasse zu verwenden. Bleibt danach noch ein über dem Selbstbehalt liegendes Einkommen übrig, so sind die Ansprüche der Berechtigten aus der nächsten Rangklasse (ggf. anteilig) zu befriedigen usw.

In dem vorgenannten Beispiel sind zunächst die Ansprüche der in Rangklasse 1 befindlichen Kinder K1 und K2 vollständig zu befriedigen. Dabei spielt es keine Rolle, dass K2 nicht aus der Ehe mit F hervorgegangen ist.

M hat also zu zahlen an K1 264 €, an K2 317 €.

Damit verbleiben ihm noch 1.119 € (1.700 - 264- 317).

Sein Selbstbehalt gegenüber den Kindern in Höhe von 1.080 € bleibt gewahrt.

Eine Kürzung ist nicht vorzunehmen.

F geht leer aus, denn ihr gegenüber kann M einen Selbstbehalt von 1.200 € geltend machen. F wird sich an das Sozialamt bzw. die ARGE wenden müssen.

Weiteres Beispiel:

M und F1 werden nach 9-jähriger Ehe geschieden. Aus ihrer Ehe ist das Kind K1 (8 Jahre) hervorgegangen. Aus einer kurzen Affäre des M mit F2 geht das Kind K2 hervor. Wegen der Betreuung des sechs Monate alten K2 geht F2 nicht arbeiten.

M verdient 1.900 €.

Für die Kinder K1 und K2 (Rangklasse 1) sind die Mindestbeträge von 246 € bzw. 297 € zu zahlen.

M verbleiben somit noch 1.357 €.

F2 ist mindestens bis zum 3. Geburtstag des Kindes unterhaltsberechtigt, da von ihr wegen der Betreuung des Kleinkindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. (siehe dazu das Kapitel über die nichteheliche Lebensgemeinschaft).

Auf den Umstand, dass sie nie mit M verheiratet war, kommt es nicht an.

Sie ist in die Rangklasse 2 einzuordnen, ihr Bedarf beträgt 880 €.

Ob auch F1 in die Rangklasse 2 gehört erscheint fraglich.

Da K1 schon 8 Jahre alt ist, wird von F1 eine Erwerbstätigkeit zu erwarten sein. Dies ist jedoch eine Entscheidung des Einzelfalls, die die Belange des Kindes und insbesondere auch die Erwerbsmöglichkeiten, den Gesundheitszustand und das Alter von F1 zu berücksichtigen hat.

Auf eine lange Ehedauer kann sich F1 jedenfalls nicht berufen, da die Ehe nur neun Jahre gewährt hat.

Verneint man (wie gesagt, das ist eine Einzelfallentscheidung) einen Unterhaltsanspruch der F1 wegen Kinderbetreuung, so ist sie in Rangklasse 3 einzuordnen und geht der F2 nach.

F 2 erhält für diesen Fall dann die den Selbstbehalt des M überschießenden Betrag von 157 € (1.357- 1.200), F1 geht leer aus.

Ordnet man auch sie in die Rangklasse 2 ein, so hätten sich F1 und F2 die verbleibenden 157 € hälftig zu teilen.