Internationales Privatrecht - Welches Recht gilt bei der Scheidung mit Auslandsbezug?

Beispiel:

Manfred (Österreicher) und Fabiola (Spanierin) sind verheiratet und leben in Deutschland, wo auch ihre beiden Kinder geboren worden sind. Nach 5-jähriger Ehe will Manfred sich scheiden lassen.

Welches Recht ist auf die Scheidung anwendbar?

Am 21.06.2012 ist die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts ("ROM III-Verordnung")  in Deutschland, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn in Kraft getreten.  Weitere EU-Länder werden folgen

Nach der Verordnung ändern  sich die Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bei der  Scheidung von Ehen mit internationalem Bezug grundlegend

Treffen die Beteiligten keine Rechtswahl, gilt gemäß Art. 8 ROM III-VO in dieser Reihenfolge

  • das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, anderenfalls
  • das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls
  • das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder anderenfalls
  • das Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

In erster Linie maßgebend ist also nicht (mehr) die Staatsangehörigkeit der Beteiligten, sondern ihr gewöhnlicher Aufenthalt. Die Verordnung gilt auch für nicht EU-Ausländer.

Beispiel:

Lässt sich also ein türkisches Ehepaar, das in Deutschland lebt, scheiden, kommt nicht mehr wie bislang türkisches Recht, sondern deutsches Recht zur Anwendung. Ob allerdings die Türkei einen Scheidungsbeschluss anerkennen wird, in dem ein deutsches Gericht auf die Scheidung zweier Türken deutsches Recht angewandt hat, bleibt abzuwarten.

Da die Verordnung unmittelbar geltendes Recht ist, gelten die neuen Regeln zum anwendbaren Scheidungsrecht für alle Verfahren, die ab dem 21.06.2012 eingeleitet werden. Auch für Scheidungsanträge, für die vor dem 21.06.2012 ein Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt worden ist, gilt das neue Recht, wenn der Scheidungsantrag abhängig von der VKH-Bewilligung gestellt wird und über die VKH erst nach dem 21.06.2012 entschieden wird.  

Für deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben, kann die ROM III-VO böse Überraschungen bereit halten.

Beispiel:

Die Eheleute Manfred und Frauke (beide Deutsche) leben in Florenz. Da die ROM III-VO auch in Italien gilt und die beiden dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist auf die Scheidung italienisches Recht anzuwenden. Dieses ist hinsichtlich der Scheidungsvoraussetzungen erheblich strenger als das deutsche Recht: Das Gericht muss vor einer Scheidung zunächst die „Trennung von Tisch und Bett“ auf einseitigen Antrag angeordnet oder bei gegenseitigem Einverständnis bestätigt haben. Erst nach Ablauf von drei Jahren nach der gerichtlichen Trennungsbestätigung kann die Ehe geschieden werden.

Um dieses Ergebnis zu vermeiden können die scheidungswilligen Eheleute in notariell beglaubigter Form eine sogenannte Rechtswahl treffen:

Nach Art. 5 Abs. 1 ROM III-VO können die Ehegatten dabei eines der folgenden Rechte wählen:

  • das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder
  • das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
  • das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder
  • das Recht des Staats des angerufenen Gerichts. 

Manfred und Frauke könnten also in einer Vereinbarung regeln, dass für ihre Scheidung deutsches Recht gelten soll.

Um mögliche Anerkennungsprobleme in der Türkei zu vermeiden, können türkische Eheleute die Geltung türkischen Rechts vereinbaren.

Die Vereinbarung eines „fremden Rechts“ ist nicht möglich.

Beispiel:

Friederike (Deutsche) und Manuel (Spanier) leben in Brüssel. Sie können für ihre Scheidung die Geltung deutschen, spanischen oder belgischen Rechts vereinbaren. Die Wahl, zum Beispiel französischen Rechts ist ihnen nicht möglich.